Der Hammer hat eine Seele

© N-ERGIE, Marko Godec

Strahlend blauer Himmel, eine Radlerin und ein Jogger durchqueren das verlassene Fabrikgut Hammer in Laufamholz. Verlassen? Nicht ganz. Wenige Häuser zwischen den Ruinen sind bewohnt.

Einer, der nach dem Rechten schaut

Im ehemaligen Schulhaus von Hammer wohnt Familie Watzke. Hier sieht es besonders belebt aus. Die Katze genießt die Sonnenstrahlen. Im Garten steht eine Schaukel. Alles ist liebevoll bepflanzt und dekoriert – ein kleines Idyll.

Das war nicht immer so. Als Roland Watzke im Juni 1985 mit seiner Frau und den drei kleinen Kindern einzog, war Hammer alles andere als ein ruhiger Ort. „Es gab eingeworfene Scheiben, nachts sind sie mit Autos und Motorrädern ums Uhrenhaus rumgefahren“, erinnert sich Roland Watzke. Dass jemand vor Ort ist und nach dem Rechten schaut, war eine Bedingung des letzten Fabrikherrn Herbert von Forster für den Verkauf des Geländes an die EWAG, ein Vorgängerunternehmen der N-ERGIE.

Und Roland Watzke schaute nach dem Rechten. Das macht er bis heute, Rente hin oder her. Er führt Kinder und Erwachsene durch das kleine Museum und durchs Wasserkraftwerk. Beheizt im Winter das Kontor des ehemaligen Fabrikherrn und steigt zweimal am Tag die ausgetretenen Stufen im alten Uhrenhaus hoch, um die Uhr aufzuziehen. „13 Stufen sind es , die gehe ich bei Nacht sogar ohne Licht“, gibt Roland Watzke zu. Kein Wunder, dass er den Weg so gut kennt: Etwa 22.000-mal hat er die 500 Jahre alte Uhr bislang aufgezogen und gestellt.

Zahlen und Geschichten aus dem Leben

Wer solche Zahlen im Kopf hat, hat ein gutes Gedächtnis. Seine persönlichen Rekorde bei seinen Hobbys Radfahren (222 Kilometer) und Bergwandern (44 Kilometer) hat Roland Watzke genauso parat wie Jahreszahlen („Ich habe 1962 angefangen mit der Lehre bei der EWAG.“) und Zahlenspiele („Ich wohne im Haus Nummer 23, meine drei Kinder sind alle am 23. geboren“). Außerdem verfügt er über einen schier unerschöpflichen Schatz von Anektoten, Witzen, Ideen und Lebensweisheiten.

Roland Watzke ist ein Glücksfall für Hammer und umgekehrt. Hier hat er den Ort gefunden, an dem er seine vielseitigen Begabungen ausleben und seine kreativen Einfälle in die Tat umsetzen kann. „Ich war Elektriker bei der EWAG. Eigentlich haben sie einen Maurer gesucht, aber sie haben mich genommen“, grinst er. Er hat Zäune gebaut und repariert, die Notbehelf-Beleuchtung sicher gemacht und das Wasserkraftwerk optimiert. Der Rechen und der Zulauf aus Aluminium gehen auf seine Vorschläge zurück. Wenn es um das Kraftwerk geht, gerät Roland Watzke immer noch ins Schwärmen: „Das Geräusch der Turbinen – für mich ist das kein Lärm, das ist Musik.“

© N-ERGIE, Claus Felix

Luftaufnahme vom Fabrikgut Hammer: links im Bild das Wasserkraftwerk.

„Das Geräusch der Turbinen – für mich ist das kein Lärm, das ist Musik.“

Roland Watzke

Wo das Herz von Hammer schlägt

Auch wenn sich im Lauf der Jahre manches verändert hat – in Hammer gibt es immer etwas zu tun. In seiner Werkstatt arbeitet Roland Watzke besonders gern. „Mein Lieblingsort in Hammer.“ Dort riecht es nach Holz und Maschinenöl, dort steht er an den Maschinen, wenn es etwas zu reparieren gibt, und dort baut er auch seine Krippen. 14 oder 15 Stück sind es inzwischen. Die meisten hat er verschenkt. Jede Krippe ist fantasievoll und mit viel Liebe zum Detail ausgestattet. Wie die Krippe, die dem Uhrenhaus nachempfunden ist, die Winzerkrippe für den Weinliebhaber oder die offene Krippe für seine Kinder, die genau ins Fenster passt. Die über 800 Schindeln auf dem Krippendach hat er selbst angefertigt.

Die Leidenschaft fürs Basteln hat ihn mit Herbert von Forster verbunden, der bis zu seinem Tod 1998 in Hammer gelebt hat. „Er hat im Alter noch Flieger aus Holz gebaut, wie ein kleiner Bub.“ Im alten Kontor erinnert ein Loch in der Wand an die beeindruckende Modelleisenbahn des ehemaligen Fabrikherrn, die zwei Räume durchquerte. Sogar die Spielfiguren, die Herbert von Forster und seine Geschwister aus Ton und Schokoladenpapier gebastelt haben, haben es ins kleine Museum von Hammer geschafft. Hammer ist ein Ort mit vielen Erinnerungen – und gleichzeitig quicklebendig. Dafür sorgen Roland Watzke und seine Frau. Und die sieben Enkelkinder, die Oma und Opa so gerne in Hammer besuchen.

Das Wasserkraftwerk Hammer

Das Wasserkraftwerk können Sie bei einer Führung kennenlernen. Seit 1894 wird dort Strom erzeugt. Aktuelle Termine für diese und andere Besichtigungen gibt es unter www.n-ergie.de/besichtigungen
Einen Kurzfilm über die Stromproduktion in Hammer finden Sie unter hammerfilm.n-ergie.team
Im Museum gibt es Infos und Exponate zum Leben und Arbeiten im Fabrikgut Hammer. Geöffnet vom Frühjahr bis zum Herbst sonntags von 14:00 bis 17:00 Uhr. Eintritt frei. Anfahrt mit dem Fahrrad oder mit Straßenbahn (Linie 11) und Bus (Linie 40).

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