Der Wolkenkratzer am Plärrer erstrahlt in neuem Glanz

© N-ERGIE, Stefan Meyer

900 Tonnen Abbruchmaterial, 400 Kilometer neu verlegte Kabel und 1.060 neue Fenster. 38 Gewerke aus 44 Unternehmen werkelten während der Kernsanierung von 2016 bis 2019 in und am Hochhaus am Plärrer. Ein Mammutprojekt, das auch direkte Auswirkungen auf rund 550 Mitarbeitenden der N-ERGIE, der VAG und der Städtischen Werke Nürnberg hatte. Während der Sanierung mussten sie für drei Jahre in benachbarte Gebäude „umziehen“.

Nach der Rückkehr sah das 15-stöckige Gebäude auf den ersten Blick von außen fast genauso aus wie vorher. Der Grund dafür ist einfach: Das 1953 erbaute Hochhaus im Herzen Nürnbergs steht seit 1988 als eines der ersten Gebäude aus dieser Zeit unter Denkmalschutz. Dies bedeutet, dass nicht nur die Fassade ihre frühere Gestalt wiedererlangt hat, sondern dass auch im Inneren der Charme der 1950er-Jahre erkennbar bleibt – trotz modernster Technik.

„Die Sanierung des Hochhauses war nötig, um die Brandschutzeinrichtungen und die Infrastruktur auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen“, erklärt Elisabeth Mathes, die damalige Projektleiterin bei der N-ERGIE. Die Betondecken wurden verstärkt, und das Haus erhielt eine Außendämmung sowie neue Fenster, um die Energieeffizienz zu verbessern. Die Dächer wurden ausgebessert und Photovoltaikanlagen auf dem Längsbau installiert. Heizungen, elektrische Leitungen und Aufzüge wurden komplett erneuert, die Beleuchtung auf LED umgerüstet und eine Belüftungsanlage eingebaut.

© N-ERGIE

Elisabeth Mathes war von 2016 bis 2019 Projektleiterin für die Kernsanierung des Plärrer-Hochhauses.

Vergangenheit trifft Zukunft

Blick an die Anfänge: Von März 1952 bis Oktober 1953 entstand am Nürnberger Plärrer das erste Hochhaus in Bayern. Damals zogen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Städtischen Werke Nürnberg in das imposante Bauwerk mit Panoramaterrasse.

„Zeugnis des neuen Aufbruchs“, „Wolkenkratzer“, „Symbol für den Wiederaufbau“, aber auch „Schandfleck am Rande der Altstadt“ und „Betonklotz“ oder ganz einfach „Plärrer-Hochhaus“. Das Hochhaus am Plärrer sorgte damals und auch noch heute für Gesprächsstoff.

Architekt des Hochhauses war Wilhelm Schlegtendal. Er gestaltete in Nürnberg zum Beispiel die Schulen an der Saarbrücker und an der Oedenberger Straße – beides typische Vertreter der NS-Architektur. Davon ist nach dem Krieg nichts mehr zu spüren: Schlegtendal wechselt mit dem Plärrer-Hochhaus zur Formsprache der „Demokratischen Moderne“. Das Gebäude erscheint harmonisch und wohlproportioniert. Nur wer ganz genau hinsieht, erkennt die leichte Schräge der Außenwände nach oben hin. Der Architekt hat dafür ab dem fünften Obergeschoss jede Seite um einen Zentimeter verjüngt. Das oberste Stockwerk ist so auf jeder Seite zehn Zentimeter schmaler. Dieser Kunstkniff lässt das Haus schlanker und höher erscheinen.

Ganz oben befindet sich die sogenannte Teestube mit Glaswänden und einem schrägen Flugdach. Von hier aus liegt die Altstadt dem Besucher zu Füßen – ein Anblick, der damals den Gästen des Nürnberger Oberbürgermeisters vorbehalten war, die er in der Teestube empfing. Später durften auch die Mitarbeitenden der N-ERGIE und VAG ihr Firmenjubiläum in luftiger Höhe feiern. Heute wird der Raum auch für andere Feiern genutzt

© N-ERGIE, Stefan Meyer

Von Dachterrasse können die Besucherinnen und Besucher einen Rundumblick über die Stadt und die Region genießen.

Nach der bombastischen Architektur des Nationalsozialismus sehnten sich die Menschen in der Nachkriegszeit nach Moderne und Leichtigkeit. Dieses Bedürfnis setzte der Architekt um, indem er etwa die Fenster flächig einsetzte und im Eingangsbereich ein großzügiges Foyer schuf, aus dem sich eine grazile Treppe schwungvoll nach oben windet. Auch Farben spielten in dieser Zeit eine wichtige Rolle. „Erst bei den Abbrucharbeiten entdeckten wir, dass sich Schlegtendal an dem von Le Corbusier entwickelten Farbkonzept orientierte. Dies war durch zwischenzeitliche Renovierungen in Vergessenheit geraten“, berichtet Elisabeth Mathes. „Nun hat jedes Stockwerk wieder seine individuelle Farbgebung an einer Wand im Treppenhaus und die jeweilige Komplementärfarbe dazu in einem Raum.“ Solche Entdeckungen und viele Besonderheiten des Gebäudes machten den großen Reiz für die Projektleiterin aus, die Aufgaben für sie allerdings auch deutlich anspruchsvoller.

© N-ERGIE, N-ERGIE Archiv

Historische Aufnahme: Das Hochhaus galt damals als Symbol des Wiederaufbaus nach dem Krieg.

Bis in die 1970er-Jahre ließen sich die Schwingflügel-Fenster nach außen öffnen, sodass die Fassade nie ganz statisch wirkte. „Diese Idee des Architekten griffen wir wieder auf und ließen 1.060 Schwingflügel-Fenster aus Stahl fertigen, die nicht nur Schall- und Sonnenschutz kombinieren, sondern auch wieder die ursprünglich vorgesehenen, sich verändernden Reliefs bilden“, erklärt die Projektleiterin.

Am Ende wurde die Kernsanierung nicht nur termingerecht abgeschlossen, sondern auch der Budgetrahmen eingehalten, was angesichts der Hochkonjunktur des Bausektors eine große Herausforderung war. Dankbar ist Mathes, dass trotz mancher Schreckmomente die gesamten Bauarbeiten unfallfrei blieben und stolz ist sie auf ihr Team, wie beispielsweise die Kolleginnen und Kollegen, die für die Neugestaltung der Arbeitsräume verantwortlich waren. Denn das digitalisierte Büroleben sollte sich nun auch räumlich abbilden. Das heißt: mehr Mobilität, die es ermöglicht, Aufgaben hoch konzentriert allein und dann wieder in rasch wechselnden Teams zu lösen.

Neue Arbeitswelten

Da sich die Aufgaben und Anforderungen stark unterscheiden, ist kein Stockwerk wie das andere. Die Gestaltung von der Raumaufteilung bis zur Möblierung entwickelte das kleine Workplace Change Management-Team gemeinsam mit typischen Nutzerinnen und Nutzern eines jeden Stockwerks. Je nach Aufgabenstellung können die Mitarbeitenden nun vom abgeschlossenen „Think Tank“ für das hoch konzentrierte Arbeiten an einen der Schreibtische in den offenen Räumen wechseln, sich mit anderen in der Lounge oder der Teeküche austauschen oder Besprechungs- und agile Projekträume aufsuchen.

Eckdaten zur Kernsanierung (2016-2019)

  • Grundfläche: 21 x 34 Meter, 56 Meter, 15 Stockwerke
  • Abbruchmaterial: 900 Tonnen
  • Betonsanierung: 450 Tonnen Strahlsand-Trockenmaterial, 1.500 Tonnen Spritzbeton-Trockenmaterial
  • Fassadenfläche: ca. 4.500 Quadratmeter
  • Verlegte Kabel: rund 400 Kilometer
  • Verlegte Heizrohre: 4.700 Meter
  • Fenster:1.060 Stück, jeweils 250 Kilogramm schwer
  • Bodenbeläge: ca. 8.500 Quadratmeter
  • Glastrennwände: 720 Quadratmeter für Büros und Besprechungsräume
  • Treppenhausverglasung: 420 Quadratmeter mit integriertem Brandschutz
Artikel teilen