Erst kritisiert und dann gefeiert – der Nürnberger Wärmespeicher

© N-ERGIE, Claus Felix

Wer auf dem Frankenschnellweg fährt (oder steht), kann ihn gar nicht übersehen: unseren Wärmespeicher in Nürnberg-Sandreuth. Mit seinen 70 Metern Höhe, einem Durchmesser von 26 Metern und der silbernen Trapezblechverkleidung ist er ein echter Hingucker. Wie ein Fels in der Brandung ragt der massive Behälter in die Höhe, dicke Rohrleitungen schlängeln sich hinüber zum Heizkraftwerk. Und auch die inneren Werte sind beeindruckend: Das rund 1.200 Tonnen schwere Bauwerk fasst 33 Millionen Liter Wasser (~ 33.000 Tonnen) und kann durch eine spezielle Technik bis zu 1.500 Megawattstunden Wärme speichern. Seine Mission: das Heizkraftwerk noch flexibler machen und Ökostromschwankungen im Netz ausgleichen.

© N-ERGIE, Dürschinger Architekten

Am Anfang vermittelte eine Visualisierung, wie sich der Wärmespeicher in das Stadtbild integrieren würde.

Vom „Ungetüm“ zum „Wahrzeichen“ und „Symbol der Energiewende“

Die Planungen für den Bau eines Wärmespeichers stießen anfangs nicht überall auf Zustimmung. Im Jahr 2012 kritisierte der damalige Baukunstbeirat der Stadt Nürnberg, dass das „Ungetüm“ den Blick auf Teile der historischen Stadtsilhouette empfindlich stören und das Stadtbild beeinträchtigen würde. Dieses beratende Gremium, das über wichtige Fragen der städtebaulichen und architektonischen Gestaltung Gutachten abgibt, regte damals an:  Die N-ERGIE möge alternative und vor allem unauffälligere Bauformen mit niedrigerer Höhe prüfen, damit das Objekt besser in das Stadtbild passt. Aus wirtschaftlicher und technischer Sicht konnte an den Maßen und an der Optik des Speichers allerdings nichts mehr optimiert werden. Für die Gegenargumentation war auch hilfreich, dass am geplanten Standort bis in die 1990er-Jahre bereits ein mächtiger über 90 Meter hoher Gasspeicher schon einmal das Stadtbild prägte. Der Stadtrat fasste schließlich – nach ausgiebiger Überzeugungsarbeit und entgegen den Bedenken des Baukunstbeirats – mutig die Entscheidung den Bau freizugeben und damit ein sichtbares Zeichen für die Energiewende zu schaffen.

© N-ERGIE

Auch für die Medien ist der Wärmespeicher ein Highlight – bis heute.

Auch die Presse berichtete zunächst kritisch und abwartend. Nachdem aber die Bedenken zunehmend abnahmen, drehte sich auch die Berichterstattung schnell ins Positive. Bereits zwei Jahre später wurde der Wärmespeicher von den Medien, der Politik und den Menschen in Nürnberg als Wahrzeichen und Symbol der Energiewende bejubelt.

Meter für Meter hinauf in den Himmel – Rückblick auf ein einzigartiges Bauverfahren

Im Juli 2013 setzen Vertreter der Stadt Nürnberg, der N-ERGIE und des Generalunternehmers Bilfinger VAM den ersten Spatenstich für das rund 16 Millionen Euro Projekt.

Beim Bau des Speichers kam ein einzigartiges Verfahren zum Einsatz, das die Bauzeit erheblich verkürzte: Im ersten Schritt wurden Sockel und Deckel des Stahlbehälters gefertigt und aufeinandergelegt. Anschließend wurde der Deckel hydraulisch angehoben und dann laufend gedreht. Gleichzeitig wurde die Außenwand des Speichers wie eine Spirale abschnittsweise seitlich eingezogen und verschweißt.

Mit Hilfe dieses so genannten Spiralmontageverfahrens schraubte sich der Riesenturm aus insgesamt 226 Stahlplatten immer weiter in den Himmel. Täglich kamen sechs bis acht Platten dazu, so dass der Turm pro Arbeitstag rund einen Meter in die Höhe wuchs. Neben den Mitarbeitenden von Bilfinger VAM aus Österreich waren für das spezielle Montageverfahren eigens Fachleute der schwedischen Baufirma Midroc Rodoverken angereist.

Die Gesamtbauzeit für den N-ERGIE Wärmespeicher betrug rund eineinhalb Jahre (Baubeginn: Sommer 2013, Inbetriebnahme: Ende 2014)

Im Sommer 2014 erreichte der Stahlturm seine endgültige Höhe. Anschließend wurde der Behälter mit Wasser gefüllt, isoliert und bekam eine silberne Trapezblechfassade. Etwa 50 Tage dauerte es, die notwendigen 33 Millionen Liter Wasser in den Turm zu leiten.

Nachdem im Inneren des bestehenden Kraftwerksgebäudes noch zwei Elektro-Heizer installiert und der Probebetrieb erfolgreich absolviert war, konnte der Speicher – nach rund eineinhalb Jahren Bauzeit – Ende 2014 offiziell in den Regelbetrieb starten.

Mission erfolgreich: Wärmespeicher schafft Flexibilität

Allein im Netzgebiet der N-ERGIE speisen aktuell mehr als 100.000 Photovoltaik-Anlagen ins Netz ein. Und Jahr für Jahr kommen mehrere Tausend neue Anlagen dazu. Die Krux: An sonnen- und windreichen Tagen ist zum Teil so viel Strom im Netz, dass erneuerbare Stromerzeugungsanlagen zeitweise abgeregelt werden müssen, um das Netz nicht zu überlasten.

Wenn Fernwärme gebraucht wurde, musste im Heizkraftwerk bisher durch die Kraft-Wärme-Kopplung Strom auch dann erzeugt werden, wenn die Stromnetze bereits ausgelastet waren. Und umgekehrt bestand bisher an trüben und windarmen Tagen nicht ohne weiteres die Möglichkeit, das Kraftwerk hochzufahren, um zusätzlichen Strom zu erzeugen, wenn nicht gleichzeitig verstärkt Fernwärme in Nürnberg gebraucht wurde.

Mit dem Wärmespeicher konnten wir unser Kraftwerk aus dieser Abhängigkeit lösen, es flexibler betreiben und damit auf die Fluktuation im Stromnetz schneller reagieren. Wenn mehr Strom erzeugt werden muss, weil beispielsweise bei Windflaute oder bei trüber Witterung wenig Strom aus erneuerbaren Energien verfügbar ist, fährt das Kraftwerk die Leistung hoch und die dabei entstehende überschüssige Wärme wird in den Speicher geladen – umso mehr, je geringer der aktuelle Bedarf im Fernwärmenetz ist. Wird dagegen an sonnen- und windreichen Tagen viel Ökostrom in das Netz eingespeist, wird die Leistung des Kraftwerks gedrosselt und die notwendige Fernwärmeversorgung kann über die Entladung des Wärmespeichers erfolgen.

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Die Grafik zeigt, wie der Wärmespeicher genau funktioniert

Erster Zwei-Zonen-Speicher Deutschlands

Der Nürnberger Wärmespeicher ist besonders in Deutschland. Er ist nicht nur weiterhin einer der höchsten in Europa, sondern er war auch der erste Speicher in Deutschland, der mit der Zwei-Zonen-Technik arbeitet. Diese besondere Konstruktion ermöglicht es, dass Wasser mit einer Temperatur von über 100 Grad Celsius in einem drucklosen Behälter eingespeichert werden kann. Und das funktioniert so: Der Zwei-Zonen-Speicher besteht aus einer unteren und einer oberen Zone, die über ein Zwischendach voneinander getrennt sind. In der unteren Zone befindet sich das heiße Wasser mit einer Temperatur bis zu 113 Grad. Das Wasser in der oberen Zone hat weniger als 90 Grad. Dieses kältere Wasser wirkt wie ein Druckstempel und verhindert so, dass das Wasser in der unteren Zone ausdampft. Der große Vorteil dieser Bauweise: Es ist möglich eine größere Wärmemenge einzuspeichern – in Nürnberg-Sandreuth sind es rund 1.500 Megawattstunden. In den Sommermonaten ist das ausreichend, um am Wochenende die Versorgung der Nürnberger Fernwärmekunden über den Wärmespeicher sicherzustellen. Bei höherem Wärmebedarf, zum Beispiel im Winter, wird die Entladezeit des Speichers entsprechend verkürzt.

Positive Bilanz nach zehn Jahren Betrieb

Seit seiner Inbetriebnahme Ende 2014 ist der Wärmespeicher zusammen mit den beiden Elektroheizern nahezu täglich im Einsatz und wird mit Wärmeenergie be- bzw. entladen.

In Kombination mit den beiden E-Heizern konnten wir den Anlagenbetrieb erheblich flexibilisieren. Wie erwartet sind in der Wechselwirkung mit der Einspeisung der Erneuerbaren Energien auch die Vollbetriebsstunden des Heizkraftwerks nach unten gegangen. Das hat die CO2-Emissionen am Standort über die Jahre deutlich gesenkt.

In den letzten zehn Jahren wurden rund 440.000 Megawattstunden (MWh) Wärme in den Speicher geladen bzw. wieder entnommen. Dies entspricht dem jährlichen Wärmebedarf von rund 22.000 Einfamilienhäusern. Mehr dazu hier.

Auf dem Weg zur grünen Fernwärme-Erzeugung

Knapp 30 Prozent der Nürnberger Fernwärme stammen bereits heute aus nicht-fossilen Quellen. In den nächsten Jahren will die N-ERGIE die jährlich produzierte Fernwärmemenge mit Hilfe verschiedener Bausteine schrittweise weiter dekarbonisieren. Bisherige Schritte am Kraftwerksstandort Nürnberg-Sandreuth waren 2005 die Umstellung von Steinkohle auf Erdgas, 2012 die Inbetriebnahme des Biomasse-Heizkraftwerks und 2014 des Wärmespeichers. 2022 wurden die bestehenden Gasturbinen erneuert und gegen Gasturbinen ausgetauscht, die H2-ready sind.

Weitere wichtige Bausteine in den nächsten Jahren sind der Einsatz von Großwärmepumpen, der Bau eines Altholz-Heizkraftwerks sowie die Nutzung von (industrieller) Abwärme, Erdwärme oder Wasserstoff. Neben der Dekarbonisierung der Fernwärmeerzeugung baut die N-ERGIE ihr Fernwärmenetz in den kommenden Jahren stark aus.

www.fernwaerme.n-ergie.de

© N-ERGIE, Claus Felix
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