Vom Trafoturm zum Traumturm

© N-ERGIE, Marko Godec

Wohnen im Trafoturm: Familie Gruber hat sich einen Traum erfüllt.

Hedwig und Hans Gruber lieben ihren ehemaligen Trafoturm in Hilpoltstein. Sie haben ihn mit viel Einsatz und Leidenschaft zu dem gemacht, was er heute ist: ein gern besuchtes Schmuckstück.

Ein Trafoturm als Wohnhaus?

Es war einmal ein Traum: „Ich hatte einen Schulkameraden in Greding. Seine Eltern hatten ein kleines Haus und nebenan stand der Turm der Stadtmauer. Das war sein Kinderzimmer, wo wir als Jungs gespielt haben. Seitdem wollte ich so etwas haben“, erklärt Hans Gruber. Erst viele Jahre später konnte er sich diesen Traum erfüllen. 2006 feierte Familie Gruber das erste Weihnachtsfest im Turm.

Zuerst streckte er seine Fühler Richtung Nürnberg aus. Ein klassischer Stadtmauerturm schwebte dem Unternehmer vor. Diese Pläne zerschlugen sich – und machten Platz für neue Ideen: Die Stadt Hilpoltstein verkaufte den ungenutzten Trafoturm. Hans Gruber griff zu und machte sich 2004 ans Werk. Ein Trafoturm als Wohnhaus? Daran zweifelte nicht nur die Nachbarschaft. „Ich habe es nicht immer verstanden“, gibt auch Hedwig Gruber rückblickend zu. Aber dank der für einen Trafoturm recht großzügigen Grundfläche von sechs mal sechs Metern und Hans Grubers Fantasie und Beharrlichkeit entstand daraus ein einzigartiger Wohnturm.

Ein Traum mit Hindernissen

Sein beruflicher Hintergrund half dem Bauingenieur dabei, viele Hindernisse zu überwinden, um den Traum in die Tat umzusetzen. Und brachte ihn selbst manchmal an seine Grenzen. „Ich habe den Turm komplett unterkellert. Während der Arbeiten bin ich nachts aus dem Schlaf geschreckt, weil ich geträumt habe, der Turm sei eingestürzt“, lacht er. Eine Herausforderung war auch die maßgefertigte Wendeltreppe aus Metall, die heute den Turm erschließt. „Dreimal musste sie wieder raus, bis alles gepasst hat.“ Und immer wieder mischen sich auch Freude und Stolz in die Erläuterungen des Hausherrn: „Das Deckenskelett für die Stockwerke habe ich selbst eingezogen. 16 Meter konnte ich nach unten blicken, alles war entkernt, nur noch die Metallleitern und Reste der Schaltanlagen waren da“, erinnert er sich.

„Es war ein Traum, den wollte ich verwirklichen – egal wie!“

Hans Gruber

So war er mal – so ist er heute

Eine Vorgabe des Landesamts für Denkmalschutz an den Käufer des Trafoturms war, möglichst viele der ursprünglichen architektonischen Elemente zu erhalten. Und so sieht man im Erdgeschoss die Buckelquader aus Sandstein und das rundbogig überfangene Eingangstor. Die großen Blechtafeln in der Außenwand haben früher die Steuerteile abgedeckt. Auch die Isolatoren und der Hauptschalter im Eingangsbereich erinnern an die ursprüngliche Funktion des Gebäudes, ebenso die wenigen, kleinen Fenster. „Kein Fenster ist wie das andere.“

Original erhalten sind außerdem die Deckenbalken. „Allerdings war das Dachgeschoss nicht offen wie jetzt“, berichtet Hans Gruber. „Der Zimmermann hat den ganzen Dachkörper an einem Stück gearbeitet. Das fertige Dach wurde mit einem Tieflader hierher transportiert und mit dem Autokran aufgesetzt.“ Er muss immer noch schmunzeln über die Aktion, die für viel Aufsehen in Hilpoltstein gesorgt  hat.

Ein Ort mit besonderer Atmosphäre

Unter diesem Dach befindet sich heute der schönste Raum des Turms: ein offener Wohn-Ess-Bereich mit freiem Blick ganz nach oben, auf halber Höhe die Galerie mit dem Schlafzimmer der Grubers, das auf den Originalbalken ruht. Ein neu eingezogenes Fensterband sorgt für Licht und Rundumsicht. „Im Winter haben wir etwas mehr Zeit, um unseren Turm zu genießen. Dann schüren wir den Ofen an und laden gerne Freunde ein. Die bleiben immer viel länger als geplant, weil es so gemütlich ist“, freut sich Hedwig Gruber.

Überhaupt: Sie hat sich längst angefreundet mit dem Turm und sich vor allem bei der Gestaltung der Räume eingebracht. Und so ist aus dem Trafoturm ein gemeinsamer Traumturm geworden. Eine Leistung, die auch der Bezirk Mittelfranken mit einer Auszeichnung für hervorragende denkmalpflegerische Leistungen gewürdigt hat.

„Im Winter haben wir etwas mehr Zeit, um unseren Turm zu genießen. Dann schüren wir den Ofen an und laden gerne Freunde ein. Die bleiben immer viel länger als geplant, weil es so gemütlich ist.“

Hedwig Gruber

© N-ERGIE, Marko Godec

Der mittelalterliche Messerturm war viel höher als die Stadtmauer von Hilpoltstein. Irgendwann im 19. Jahrhundert wurde er abgebrochen. Jahrzehnte später, um 1906, entstand auf seinen Grundmauern ein Trafohaus. Es war die erste Trafostation der Stadt. Das historische Verzeichnis des FÜW (Fränkisches Überlandwerk, ein Vorgänger-Unternehmen der N-ERGIE) listet 923 Stromabnehmer zur Inbetriebnahme am 8. November 1914. Zu Beginn der öffentlichen Stromversorgung Hilpoltsteins nutzten die Elektrizität vor allem Gewerbetreibende. In Hilpoltstein waren dies viele Wirtshäuser. Denn die Stadt lag an einer wichtigen Handelsroute und hatte schon damals viele Gäste.

Früher waren Trafotürme besonders in ländlichen Gebieten stark verbreitet. Der Strom wurde häufig über Freileitungen transportiert und dort von der höheren Spannungsebene in die für Haushalte und Betriebe nutzbare Niederspannung umgewandelt. Aktuell gibt es im Netzgebiet der N-ERGIE rund 7.500 Trafostationen. Türme sind immer seltener zu sehen. Weil immer mehr Leitungen im Boden verlegt werden und die modernen Trafostationen kompakter sind, braucht es die auffälligen Trafotürme oft nicht mehr. Viele wurden seit den 1970er-Jahren zurückgebaut oder umgenutzt. An vielen Orten in der Region sieht man Turm- oder Kompaktstationen, die künstlerisch gestaltet sind.

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