Lichtenreuth: Nürnbergs neuen Stadtteil gestalten

© Simeon Johnke

„Wichtig sind Vertrauen und ein ständiger Draht zu allen Beteiligten.“ Bei Esther Gilcher liefen die Fäden für das Projekt Lichtenreuth zusammen.

Das Mammutprojekt Lichtenreuth ist auch für eine Großstadt wie Nürnberg alles andere als alltäglich: Auf dem Gelände südlich der Innenstadt entsteht ein neuer Stadtteil, der nicht nur mehreren Tausend Menschen ein neues Zuhause bieten wird. Zusätzlich wird eine neue Universität gegründet, es wird einen Stadtpark geben, zahlreiche Grünflächen, Büros, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen und Kindertagesstätten. Viele Beteiligte, die außerordentlich viele, teils sehr verschiedene Interessen haben. Esther Gilcher, die als Leiterin Development Region Süd der Aurelis Real Estate GmbH zuständig für die Erschließung und Entwicklung des Geländes war, hat schon ähnliche Großbaustellen betreut. Aber auch sie braucht noch einiges an Vorstellungskraft, wenn sie auf dem unfassbar großen Gelände unterwegs ist und uns das künftige Quartier beschreibt. Und einen langen Atem, bis alle Details geklärt sind. Wir haben sie begleitet.

von
  • © Hajo Dietz

    Rund 100 Hektar groß ist das Gelände zwischen Münchner und Ingolstädter Straße, auf dem ein komplett neuer Stadtteil entsteht.

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    Entstehen soll ein ein urbanes, lebenswertes Stadtquartier mit viel Grün.

„Wir verwandeln eine ehemalige Industriebrache, so groß wie die Innenstadt von Nürnberg, in einen lebendigen Stadtteil aus einem Guss. Für mich als Stadtplanerin ein Traumjob“, betont Esther Gilcher. „Eine solche Chance bekommt man nur ganz selten.“ Das Gebiet des ehemaligen Südbahnhofs liegt zwischen der Innenstadt und dem Naherholungsgebiet Dutzendteich. Gemeinsam mit der Stadt Nürnberg entwickelten Gilcher und zahlreiche weitere Akteure hier ein komplett neues Quartier: Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, eine moderne Infrastruktur und viel Grün – alles vor Ort und bis ins Detail geplant. Hinzu kommt die Technische Universität im Süden des Geländes.

18 Jahre Planungszeit – das erfordert ein beeindruckendes Durchhaltevermögen. „Am wichtigsten sind Vertrauen und Verlässlichkeit. Nur wenn alle Beteiligten zu dem stehen, was sie sagen, erreichen wir Dinge, die am Anfang noch geradezu unvorstellbar sind“, so Gilcher. Woher nimmt sie die Motivation, so lange am Ball zu bleiben und immer wieder die unglaublich vielen, oft sehr unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen? „Schauen Sie sich um: Eine Mondlandschaft. Von dem neuen Stadtteil Lichtenreuth ist noch nichts zu sehen. Aber irgendwann sind die Ideen, die ich in meinem Kopf habe, Realität. Ich kann durch den neuen Stadtteil spazieren, die Bäume riechen, einkaufen gehen. Das Wissen, dass die vielen kleinen Rädchen, die wir über sehr lange Zeit drehen, ineinandergreifen und alle Teilaufgaben irgendwann einmal gelöst sind – das treibt mich an.“

Lange beispielsweise führten Eidechsen das Kommando in Lichtenreuth. Rund 1.000 Exemplare mussten umgesiedelt werden. Im Dürrenhembacher Wald bei Schwarzenbruck fanden Gilcher und ihr Team einen 21 Hektar großen Ersatzlebensraum und organisierten den Umzug. Auch um andere Tiergruppen, die auf dem Gelände leben, hat sie sich gekümmert und ein Programm mit mehr als 20 Maßnahmen für ihren Schutz entwickelt. Genauso gibt es ein Konzept für den Erhalt von Bäumen und Gehölzbeständen. Wenn alles fertig ist, wird sich durch das gesamte Viertel, das heute noch sandig und verwaist ist, ein grüner, lebendiger Stadtteilpark ziehen.

„Für mich als Stadtplanerin ein Traumjob“

Esther Gilcher

Die Fragen, die Gilcher auflösen muss, sind mehr als vielseitig. Wie zum Beispiel werden Anwohner*innen und Besucher*innen dazu bewegt, auf den nicht-motorisierten Verkehr, der in Lichtenreuth Priorität haben soll, umzusteigen? Vorgesehen sind ein Netz aus Rad- und Fußwegen, die Straßenbahnlinie 7 wird um drei neue Haltestellen verlängert und es entsteht ein neuer Zugang zum U-Bahnhof Hasenbuck. Parkraum für die Bewohner*innen entsteht in Tiefgaragen, öffentliche Stellplätze wird es nur in bestimmten Bereichen geben. Sharingmodelle für Autos und Fahrräder sollen angeboten werden – alles Details, die zu klären sind. Um den Anschluss des neuen Stadtteils an das Strom-, Wasser und Fernwärmenetz kümmert sich die N-ERGIE. Allein das Fernwärmenetz wird dafür um über 4,5 Kilometer erweitert.

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  • © Simeon Johnke

    Blick über Nürnberg – am Horizont liegt die Brunecker Straße.

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    Viele Fragen gibt es für Planerin Esther Gilcher zu klären.

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    Bisher existiert der neue Stadtteil nur in der virtuellen Welt.

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    Der U-Bahnhof „Hasenbuck“ erhält einen direkten Zugang in den neuen Stadtteil.

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    Auf dem Weg zur Baustelle – die Abrissarbeiten sind weitgehend abgeschlossen.

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    Die Pläne im Baucontainer zeigen die verschiedenen Module des Areals.

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    Vom Plan zur Realität – der Baucontainer steht mitten auf dem Gelände, der noch einer Mondlandschaft gleicht.

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    Vorbereitungsarbeiten auf der weitläufigen Sandfläche. Strom und Wasser für die Bauarbeiten gibt es schon.

  • © Simeon Johnke

    Zurück in die U-Bahn – bis zum nächsten Besuch.

„Wir sind während der Planungsphase permanent dabei, den Knödel kleiner zu machen“, erklärt Esther Gilcher. „Im Endeffekt haben ja alle Beteiligten ein gemeinsames Ziel – nur die Interessen sind oft sehr unterschiedlich. Mein Job ist es, die Vorstellungen zusammenzubringen. Vielseitiger und spannender kann eine Aufgabe kaum sein.“

Esther Gilcher beschreibt, wie sie ihre Arbeit bei solchen Projekten versteht.

Hintergrundinformationen

Lichtenreuth ist das neue Stadtviertel südlich der Nürnberger Innenstadt – wo jahrelang Stillstand herrschte, zieht in den nächsten Jahren neues Leben ein. Die Realisierung erfolgt schrittweise in zwei Modulen, die eine gemischte Nutzung aus Wohnen, Gewerbe sowie sozialen und kulturellen Einrichtungen vorsehen. Ausgedehnte Park- und Grünflächen laden zur Freizeitgestaltung ein und ein innovatives Mobilitätskonzept wird umgesetzt. Zusätzlich errichtet der Freistaat Bayern nebenan die Technische Universität Nürnberg. 18 Jahre Planungsdauer wurden in das Konzept gesteckt, an dem zahlreiche unterschiedliche Beteiligte mitwirkten.

Weitere Informationen unter:
www.lichtenreuth.de

Lichtenreuth

Gesamtfläche: 100 Hektar
Wohnungen:  2.500
Einwohner*innen: 6.000
Fläche Stadtteilpark: 10,5 Hektar
Planungszeit: 18 Jahre
Verlängerung Straßenbahn:  3 Stationen
Kitas:  3
Schulen:  1
Studierende an der TU Nürnberg: 6.000

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