Artenvielfalt + erneuerbare Energien: Das geht!
Artenvielfalt und erneuerbare Energien in Einklang bringen – zwei Projekte, die am Bildungszentrum Triesdorf im Landkreis Ansbach betreut werden, bringen diese Ziele gleichzeitig voran. Nina Busch vom Kompetenzzentrum Erneuerbare Energien trägt dazu bei, dass für den Einsatz in Biogas-Anlagen, also zur Energiegewinnung, Blühflächen neu angesät werden. Darum geht es auch im Projekt von Norbert Bleisteiner, dem Leiter des Fachzentrums für Energie und Landtechnik. Allerdings wird „sein“ Blütenmeer rund um Photovoltaik-Freiflächenanlagen gepflanzt. Indem er die Kommunen von dieser Idee überzeugt, sorgt er für eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung vor Ort und für bunte Landschaften, die nicht nur schön aussehen, sondern auch ein reichhaltiges Angebot für Insekten, Wildtiere und Bienen bieten. Zwei mehrjährige Projekte, die Wirtschaftlichkeit mit Ökologie verbinden und sowohl fachliches als auch persönliches Engagement erfordern. Wir haben in Triesdorf nachgefragt, was die beiden antreibt.
„Wir haben es geschafft, Farbe und Vielfalt aufs Feld zu bringen, statt der Vermaisung der Landschaft zuzusehen.“
Nina Busch
„Zusätzlich werden die Pflanzen energetisch sinnvoll genutzt“, sagt Nina Busch aus dem Kompetenzteam Erneuerbare Energien. „So wächst das Verständnis für Biogas-Anlagen, die einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten.“ Sie betreut federführend ein Projekt, bei dem Biogas-Anlagen zusätzlich mit einer mehrjährigen, insektenfreundlichen › Blühpflanzenmischung „gefüttert“ werden. Nach dem zweiten Betriebsjahr zeigt sich: Der Energieertrag ist zwar deutlich niedriger als beim Mais, weshalb die Landwirte von der N-ERGIE einen finanziellen Ausgleich erhalten, das Gesamtergebnis ist aber positiv. Nicht nur die Anwohner*innen sind begeistert, auch die örtlichen Imker*innen freuen sich über die bunte Blütenpracht. Gerade in Zeiten, in denen sonst kaum etwas blüht, bieten die Energiepflanzenfelder Nahrung für ihre Bienen.
Für die Arbeit im Bildungszentrum nutzt Nina Busch ihr Wissen aus der täglichen Praxis. Auf dem eigenen Hof betreibt sie mit ihrem Mann zusammen eine Biogas-Anlage und erlebt jeden Tag hautnah, welche Details berücksichtigt werden müssen. „Ich kenne die Tücken des alltäglichen Betriebs, die Sorgen der Nachbarn und welche Pflanzenmischungen je nach Boden, Standort und Witterung die besten Erträge bringen. Dieses Wissen gebe ich gern weiter.“
Hier beschreibt Nina Busch in eigenen Worten, worin sie ihre Aufgabe sieht.
Der studierten Landwirtin ist es besonders wichtig, einen eigenen Beitrag zu leisten. Auch ihre Kinder will sie dazu bringen, im Alltag auf nachhaltiges Verhalten zu achten: „Ich finde, jeder muss bei sich selbst anfangen. Die meisten Menschen sind für den Schutz der Bienen, die Reduzierung des CO2-Ausstoßes und für erneuerbare Energieerzeugung – aber handeln sie auch danach? Schrauben sie ihre Ansprüche zurück, bepflanzen ihren Vorgarten mit insektenfreundlichen Pflanzen, schalten das Licht aus oder essen weniger Fleisch? Dabei können wir viel bewegen, wenn wir einfach nur die ein oder andere Gewohnheit ändern. Außerdem müssen wir lernen, Verständnis für andere zu entwickeln. Zu meinen Kindern sage ich immer, sie sollen sich in andere Menschen hineinversetzen und sich fragen, was der Grund für ihr Verhalten ist. So lernen sie, Entscheidungen zu verstehen – auch wenn sie ihnen vielleicht nicht in den Kram passen.“
„Was wir tun müssen, ist weitgehend bekannt, aber an der Umsetzung müssen wir alle zusammen arbeiten.“
Norbert Bleisteiner
Fachzentrumsleiter im Bildungszentrum, Betreiber eines landwirtschaftlichen Hofes, Initiator von zahlreichen energiewirtschaftlichen Projekten (aktuell beschäftigt er sich in seinem Heimatort mit dem Aufbau von Humusböden, die CO2 kompensieren) und nebenbei noch Ehemann und Vater – angesichts dieses Pensums kommt Norbert Bleisteiner mit sehr viel Zeit in das Gespräch. „Ich bin durch und durch ein Pragmatiker“, konstatiert er selbst. „Ich baue mir Netzwerke und konzentriere mich auf das Wesentliche, anstatt mich in Detailfragen zu verzetteln.“
Und was ist für ihn das Wesentliche? „Auf jeden Fall, dass alle an einem Strang in die gleiche Richtung ziehen. Ich habe gelernt, dass Projekte – egal, ob hier im Bildungszentrum, im Privaten oder in der Gesellschaft – viel besser laufen, wenn alle Akteure von Beginn an mit im Boot sind. Wenn sämtliche Vor- und Nachteile auf dem Tisch liegen, alle gemeinsam nach Lösungen suchen und individuelle Bedürfnisse einbezogen werden. Im optimalen Fall arbeiten dann alle gesellschaftlichen Gruppen aus Überzeugung am Gesamtergebnis, das viel besser ausfällt als einzelne Insellösungen. Genau das brauchen wir für die Energiewende: Was wir tun müssen, ist weitgehend bekannt, aber an der Umsetzung müssen wir alle zusammen arbeiten.“
Auf diese Art geht Bleisteiner seine Projekte an: Er widmet sich Themen, von denen er überzeugt ist, schiebt sie an und trägt sie weiter. Wie bei der ökologischen Bewirtschaftung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen: „Ist das nicht eine gewinnende Idee, die Flächen rund um die großen PV-Anlagen mit blütenreichen, insektenfreundlichen Saatenmischungen anzusäen? Sie verschönern nicht nur das Landschaftsbild, sondern halten auch ein reichhaltiges Angebot für Insekten und Bienen bereit – und gleichzeitig wird nachhaltig Energie erzeugt. Außerdem steigern wir deutlich die Akzeptanz für PV-Anlagen in der Bevölkerung – wir wollen die Bürgerinnen und Bürger vor Ort ja schließlich mitnehmen. Natürlich bleiben die Solarmodul-Felder trotzdem sichtbar, aber Photovoltaik ist nun mal ein unverzichtbarer Baustein der Energiewende und die Dachflächen alleine reichen nicht aus. Deshalb wollen wir die Kommunen dabei unterstützen, diese tolle Idee umzusetzen.“
Norbert Bleisteiner schildert den Weg von der ersten Idee zu einem konkreten Leitfaden für Kommunen.
Entstanden ist ein Kriterienkatalog, der als Leitfaden genutzt werden kann. Gemeinsam mit der N-ERGIE, die einen engen Draht zu den unterschiedlichen Kommunen in ihrem Versorgungsgebiet hat, wird er an die Verantwortlichen in den Gemeinden verteilt und trägt dazu bei, dass immer mehr Flächen um die Solarkraftwerke blühen. Ein typisches Vorgehen für Bleisteiner, der am liebsten unkompliziert handelt und faktenbasiert auf der Grundlage eigener Erfahrungen argumentiert: „Was ich nicht leiden kann, sind Missionare. Ich will überzeugen, nicht belehren.“
Hintergrundinformationen
Mit einer Mischung aus hochmodernen Lehr- und Versuchsanlagen sowie dem Charme barocker Gebäude präsentiert sich Triesdorf als attraktiver Bildungsstandort in der ehemaligen Sommerresidenz der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach. Der Campus besteht aus zehn verschiedenen Schulen, zahlreichen Institutionen und der europaweit renommierten Hochschule Weihenstephan-Triesdorf mit zwei Fakultäten. Mehr als 3.400 junge Menschen aus dem In- und Ausland erhalten hier die notwendigen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit in den Bereichen Ernährung, Energie, Landwirtschaft, Lebensmittel und Umwelt. Träger der Landwirtschaftlichen Lehranstalten ist der Bezirk Mittelfranken, der ein enorm wichtiges Ziel verfolgt: den Erhalt unserer Heimat durch nachhaltige Landwirtschaft.
Weitere Informationen unter:
www.triesdorf.de
Triesdorf
Schüler*innen und Studierende: >3.400
Schulen: 10
Fakultäten der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf: 2
Ausbildungsrichtungen: Agrarwirtschaft, Ernährungs- und Lebensmittelwirtschaft, Umweltsicherung
Betriebszweige für die Praxisunterweisung: Tierhaltungsschule, Fachzentrum für Energie und Landtechnik, Lehrmolkerei, Mosterei, Brennerei
Biogas-Anlage: 290 kW durchschnittliche Leistung