Das Fabrikgut Hammer – schon im Mittelalter bedeutend

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Kupferstich: "Ansicht von dem Messing-Schmeltz- und Hammer-Werk".

Das Fabrikgut Hammer ist eine der bedeutendsten und zugleich reizvollsten Anlagen einer befestigten mittelalterlichen Industriesiedlung in Europa. Im Hammerwerk bei Laufamholz wurden seit 1492 bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg 1943 nahezu ununterbrochen Messingprodukte hergestellt. Sie wurden  z.B. als extrem dünne Messingfolie bis in den fernen Osten transportiert, um indischen Tempeln ihren goldenen Glanz zu verleihen. Neueste dendrochronologische Untersuchungen datieren die Mehrheit der Gebäude auf 1554. Somit ist der vorhandene Baubestand hundert Jahre älter als vermutet.

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Hammermühle seit 1492

Die Geschichte von Hammer wird durch Lehens- und Wasserbriefe bis zu ihrem Ursprung dokumentiert. Schon 1372 drehte sich hier ein Mühlrad. Es betrieb ein Mahlwerk für Getreide. Doch aus dem Jahr 1492 (dem Jahr der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus) erfahren wir von bedeutenden Veränderungen an der Mühle. Vom damaligen Besitzer, dem Nürnberger Bürger Conrad Cammerer, wird berichtet, „dass er allda große Hämmer mit schwerer Arbeit aufgerichtet und gebaut hat … dadurch man den Messing aus- und einzeucht.“ Neben der Kornmühle war ein Messing-Hammerwerk entstanden. Dazu kam Kupfer aus Sachsen, Galmey (= Zinkerz) aus Limburg und der Ton für die Schmelztiegel aus dem nahen Heroldsberg. Die riesigen Holzmengen, die man zunächst für die Glühöfen benötigte, lieferten die ausgedehnten Wälder der Umgebung. Das Messingwerk scheint schnell gewachsen zu sein, denn bereits 1532 führten die Besitzer der Ober- und der Unterbürg Klage über mangelnde Wasserzuführung vom Mühlgraben, der auch ihre Burggräben speiste. In der Urkunde heißt es: „Früher wären nur zwei Räder zu einer Mahlmühle dagestanden, jetzt aber sind daselbst sieben Räder.“ Diesem Streit hat der Zweite Markgrafenkrieg sicher ein unverhofftes Ende gesetzt, denn im Frühjahr 1552 wurden Mühle und Hammer schwer beschädigt.

Das Werk erlebte aber bald wieder einen Aufbau und großen Aufschwung. Unter der damaligen langjährigen Betreiberfamilie Kanler wird die Mühle in den Jahren 1621 bis 1626 von drei auf fünf Mahlgänge vergrößert. Eine Karte aus dem Jahre 1628 von Johann Bien zeigt uns Hammer, wie wir es heute noch aufspüren können: mit Schutzmauer, Verwaltungs-, Wohn-, Wirtschafts- und Fabrikationsbauten.

Die Schrecknisse und Verwüstungen des Dreißigjährigen Kriegs (1618 –1648) hatten zwar die Produktion in den Jahren 1632 bis 1634 schwer beeinträchtigt, die totale Zerstörung aber konnte verhindert werden. Kaiserliche Soldateska, die sich in Hammer eingenistet hatte, konnte durch die Werksführer „bei guter Laune gehalten werden“, indem ihr pausenlos Essen und Trinken beschafft wurde. 1.500 Gulden war der Preis dafür. 1647 wurde die Messingproduktion wieder aufgenommen. Das Leben begann sich wieder zu normalisieren.

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Die Messinggießerei um 1910.

Vorbildliches Sozialwesen seit dem 16. Jahrhundert

Die Arbeiter waren in Hammer bereits seit dem 16. Jahrhundert beispielhaft sozial abgesichert. Junge, gesunde, kräftige Männer wurden als „Professionisten“ (Facharbeiter) angeworben und drei Jahre ausgebildet. Danach mussten sie ein „Handgelübde“ ablegen, nichts zu verraten und nicht ohne Wissen und Willen der Leitung die Fabrik zu verlassen. Dafür waren sie unkündbar. Bei Arbeitsunfähigkeit und im Alter gab es eine Pension und die Wohnungen durften weiterhin kostenlos bewohnt werden. Witwen und Waisen oder uneheliche Kinder wurden unterstützt und gefördert. Bei Arbeitsmangel erfolgte Lohnfortzahlung. Die Arbeiter durften sich einen Nebenverdienst als Schmiede, Zimmerleute oder Maurer verschaffen. Kostenlos standen Hebamme und Gemeindediener zur Verfügung. Sogar eine Zeitung, die Kreis-Intelligenzblätter (Vorläufer der heutigen Tageszeitung) durften und konnten die Arbeiter lesen. Das Uhrenhaus zeigt gut die Wohnverhältnisse der damals Beschäftigten mit den raffiniert angelegten Eingängen. Jede Familie besaß eine heizbare Stube, eine Kammer und einen Bodenraum. Die Stube wurde kostenlos in der Zeit vor Pfingsten, der Kirchweih, ausgetüncht und der Ofen ausgebessert. Zu jeder dieser mietfreien Wohnungen im Unter- oder Obergeschoss gehörte ein eigener Eingang. Hausflurstreitigkeiten waren damit ausgeschlossen.Auf dem Türmchen des Uhrenhauses tickt noch heute die Uhr mit nur einem Zeiger, eine sogenannte Stundenuhr. Minuten oder Sekunden spielten damals noch keine so große Rolle.

Für kleinere Vergehen gab es in Hammer das Patrimonialgericht. Es umfasste jedoch nur die niedere Gerichtsbarkeit. Der Grundherr war Gerichtsherr, konnte umgehend die niedrige Gerichtsbarkeit ausüben und der Frieden war wiederhergestellt. Schon 1647 wurden die 30 bis 40 Arbeiterkinder kostenlos „zur Schule geschickt“ und von einem Lehrer in seiner Wohnung zwischen Kochtöpfen und Hühnern unterrichtet. Schimpflicherweise wurde er in diesen ersten Jahren „Heckenschullehrer“ genannt, weil er nicht der städtischen Zunft der „Schulmeister“ angehörte. Mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht in Bayern 1806 besuchten dann auch die Kinder aus Laufamholz, Oberbürg, Röthenbach, Schwaig und Malmsbach die Schule in Hammer (140 Schüler).

Handelsbeziehungen nach Nah- und Fernostost

1661 wurde die Genehmigung zum Ausschank von Bier und Wein an die Hammerarbeiter erteilt und 1687 das Wirtshaus errichtet.1691 wurden die Produktionsanlagen erweitert und die Mühle von einer Schleif- und Kupferhammermühle in eine Messinghammermühle umgebaut. Ihre Erzeugnisse gelangten in alle Welt. Insbesondere Moscheen benötigten Messingfolien für ihre Kuppeln und indische Tempel wurden mit Feingold aus Hammer bedeckt.

Ab 1711 war Hammer im Besitz der Familie Volkamer. 1729 heiratete der Teilhaber Johann Lorenz Forster die Volkamertochter Katarina Barbara. 1793 übernahm deren Enkel Georg Christoph Forster die Leitung des Werkes. Er wurde 1816 in den Adelsstand erhoben. 150 Jahre lang blühte diese Produktionsstätte unter der Führung der Familie von Forster

Entwicklung zur größten Fabrik in Nürnberg und der Region

Die Tradition der hervorragenden sozialen Leistungen setzte sich fort und zog viele fleißige, strebsame Menschen nach Hammer. Im Jahr 1820 war das Messingwerk Hammer sowohl vom Umsatz als auch von der Anzahl der Beschäftigten die größte Fabrik Nürnbergs und des Umlandes. Hammer zählte 140 Einwohner, darunter um die 20 Arbeiter mit ihren Familien, die in 37 Wohnungen lebten.1804 wurde ein Walzwerk zur Messingblechherstellung eingebaut. 1823 trieben vier Wasserräder je zwei Hämmer an. 1826 erbaute der Nürnberger Mathematiker und Mechaniker Konrad Georg Kuppler ein durch Wasserkraft angetriebenes Walzwerk zur Herstellung von Messingblechen und Messingfolien

Andenken aus dem Morgenland

In der Mitte des Dorfplatzes steht seit 1861 ein Obelisk mit ägyptischen Hieroglyphen. Dieser Obelisk, der seit 1709 den Volkamerschen Hesperidengarten in Gostenhof zierte und nach der Auflösung des Gartens nach Hammer versetzt wurde, ist ein Andenken an eine der ausgedehnten Geschäftsreisen des Johann Christoph Volkamer. Er besuchte in Konstantinopel das Hippodrom – heute der At-MeydaniPlatz in Istanbul – und war begeistert von dem herrlichen ägyptischen Obelisken. Nach seiner Rückkehr ließ er ihn in einem Drittel  seiner Größe nachbilden. Die Bilderschrift der Hieroglyphen berichtet originalgetreu von den Feldzügen des ägyptischen Königs Thutmosis III. (1490–1436 v. Chr.).

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Blick auf das Westtor 1934: links das Kutscherhaus und rechts das Bauernhaus des Landgutes Hammer

Stromerzeugung seit 1894

1894 begann die Stromerzeugung in Hammer. Eine Jonval-Turbine zum Antrieb der Walzwerke wurde eingebaut und die Messinghämmer wurden stillgelegt. Ab 1901 erfolgte der Aufbau eines Überlandstromnetzes und 1908 der Bau des Elektrizitätswerkes.1943 wurde Hammer während des englischen Luftangriffs vom 27. / 28. August teilweise zerstört. Alle hundert Menschen, die in zwei Kellern untergebracht waren, blieben unverletzt. 1944 folgte die Instandsetzung und Wiederinbetriebnahme des Wasserkraftwerkes. 1945 nahmen US-Soldaten Hammer ein. 1948 plante man den Wiederaufbau der Fabrik und 1956 den der Werkswohnungen.

Denkmalschutz und Ausstellung

1958 wurde das Wasserschutzgebiet Erlenstegen durch die Stadt Nürnberg ausgewiesen. Damit war es verboten, „bauliche Anlagen zu errichten oder zu erweitern“. 1977 kaufte die damalige EWAG mit einigen Ausnahmen Hammer. Die historischen Bauten und Ruinen wurden als Ensemble unter Denkmalschutz gestellt. In den Jahren 1978 bis 1980 wurde das alte Wehr abgerissen und ein neues errichtet sowie das Wasserkraftwerk saniert. Von 1982 bis 1989 wurden die Gebäude saniert und restauriert. 1992 eröffnete die Ausstellung im Uhrenhaus.

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