Mut zur Fernwärme

© N-ERGIE, Claus Felix

Bei der offiziellen Inbetriebnahme des Fernwärme-Anschlusses (v.l.n.r.): Maik Render (Vorstand Markt und Technik, N-ERGIE), Ulrich Zimmer (Leiter Produktion Powertrain, MAN), Marcus König (Oberbürgermeister, Stadt Nürnberg), Dr. Ingo Essel (Werkleiter, MAN)

Wie MAN den Standort Nürnberg fit für die Zukunft macht

50 Fußballfelder – so groß ist das Gelände von MAN Truck & Bus am Standort Nürnberg. Eine eigene kleine Stadt in der Stadt – mitten in Gibitzenhof in direkter Nachbarschaft zu Siemens und der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft. Innerhalb der MAN Truck & Bus Gruppe hat der Nürnberger Standort eine Leitfunktion für alternative und konventionelle Antriebstechnologien. Rund 3.600 Mitarbeiter*innen produzieren auf dem weitläufigen Areal rund 90.000 Motoren im Jahr, die an sämtliche MAN Truck & Bus Werke weltweit ausgeliefert werden.

Der Bedarf an Prozess- und Heizungswärme ist daher riesig und wenn die Produktion unterbrochen wird, kann das weitreichende Folgen haben. Energie spielt hier deshalb seit jeher eine zentrale Rolle. Bislang setzte MAN zur Energieerzeugung vor Ort auch Braunkohle und Erdgas ein.

Braunkohle raus – Fernwärme rein

„Wir streben bis 2030 eine CO2-neutrale Produktion an und wollen unsere komplette Transportkette dekarbonisieren“, sagt Ulrich Zimmer, Leiter Produktion Powertrain bei MAN. „Mit der Umrüstung auf Fernwärme machen wir dazu den ersten Schritt.“

Im Kesselhaus A30 steht Ulrich Zimmer gemeinsam mit Werkleiter Dr. Ingo Essel neben Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König und N-ERGIE Vorstand Maik Render zwischen dicken silbernen Fernwärmerohren an einem großen Schieber. Die vier nehmen zusammen mit zahlreichen Projektbeteiligten einen neuen, deutschlandweit bislang einmaligen Fernwärme-Anschluss symbolisch in Betrieb.

„Nürnberg setzt auf Fernwärme. Ich freue mich, dass zwei Nürnberger Unternehmen zusammen neue Technologien für die Zukunft entworfen haben“, erklärt Oberbürgermeister König. „Dass MAN aus der Kohle aussteigt, ist ein toller Schritt für den Klimaschutz in unserer Stadt. Darüber hinaus schließt sich dadurch ein großer und wichtiger Ring im Nürnberger Fernwärmenetz, der die Versorgungssicherheit weiter erhöht“, so König weiter. „Mein Dank und Respekt gilt allen Beteiligten, die trotz herausfordernder Technik und in schwierigen Zeiten mit so viel Herzblut an diesem Projekt mitgearbeitet haben – allen voran der MAN, die mutig diesen Schritt gegangen ist.“

„Der Weg war alles andere als einfach.“

Die sehr hohen Rücklauftemperaturen, die für einen Standardanschluss nicht geeignet waren, stellten das Projektteam anfangs vor große Herausforderungen. „Der Weg war alles andere als einfach“, erinnert sich Frank Wieczorek, Leiter Infrastruktur bei MAN. „Es liefen sehr viele Messungen und Simulationen im Hintergrund, um die Fernwärme später in ihrer vollen Güte nutzen zu können. Dann haben glücklicherweise findige Ingenieure bei der N-ERGIE den so genannten Dreileiter-Anschluss erfunden“, ergänzt Wieczorek. Bei diesem speziellen Hausanschluss wird der Rücklauf über eine Bypass-Leitung teilweise wieder in den Vorlauf gepumpt. So können die hohen Temperaturen energetisch weiter genutzt werden.

„Dieses Pilotprojekt lebt von unseren Partnern, die diesen Weg mitgegangen sind, auch wenn es hochkomplex war“, blickt Andreas Wunram, Projektleiter bei der N-ERGIE, zurück. Neben der Technik mussten die Beteiligten durch die Corona-Pandemie auch so manche zusätzliche Hürde überwinden. „Es war alles andere als Standard, aber wir haben immer gemeinsam Lösungen – oft auch Sonderlösungen – erarbeitet und konnten am Ende eine Win-win-Situation schaffen.“

MAN spart jährlich rund 20.000 Tonnen CO2 ein

Der Umstieg von Braunkohle auf Fernwärme verschafft MAN einen energetischen Kostenvorteil bei der Herstellung der Antriebe. Vor allem aber leistet das Unternehmen einen enormen Beitrag zur Dekarbonisierung. Denn Dank des Dreileiter-Anschlusses spart MAN künftig rund 30 Prozent Kohlenstoffdioxid am Standort ein – das sind rund 20.000 Tonnen CO2 pro Jahr.

Die Leistung des neuen Fernwärme-Anschlusses liegt zunächst bei 15 Megawatt (MW), bei weiteren Optimierungen sind perspektivisch bis zu 30 MW möglich.

„Mit der MAN haben wir einen sehr großen Kunden für uns gewinnen können und bedanken uns für das Vertrauen. Neben der Umsetzung eines der größten Einzelanschlusswerte in Nürnberg, schaffen wir damit auch die hydraulisch wichtige Verbindung zwischen zwei bisher getrennten Leitungen“, sagt Maik Render, Vorstand Markt und Technik bei der N-ERGIE.

Denn die so genannte Südspange schließt eine lang vorhandene Lücke und macht das Fernwärmenetz in dem Bereich – wie bereits an vielen anderen Stellen – redundant und damit ausfallsicherer. Darüber hinaus ermöglicht sie neben der sicheren Versorgung der MAN auch die Anbindung des neuen Stadtteils Lichtenreuth an das Fernwärmenetz. Die insgesamt rund 3,6 Kilometer lange „Südspange“ verbindet das Heizkraftwerk Sandreuth mit dem Heizkraftwerk Langwasser über die Maybach- und Heisterstraße sowie das MAN-Gelände.

© N-ERGIE, Claus Felix

„Mit der MAN haben wir einen sehr großen Kunden für uns gewinnen können und bedanken uns für das Vertrauen. Neben der Umsetzung eines der größten Einzelanschlusswerte in Nürnberg, schaffen wir damit auch die hydraulisch wichtige Verbindung zwischen zwei bisher getrennten Leitungen“, sagt Maik Render, Vorstand Markt und Technik bei der N-ERGIE.

Fernwärme hat Zukunft

Fernwärme ist besonders effizient und leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz in Nürnberg. Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung wie das Heizkraftwerk Sandreuth, aus dem rund 90 Prozent der Nürnberger Fernwärme stammt, erreichen einen Wirkungsgrad von über 85 Prozent. Bereits heute kommen knapp 30 Prozent der Fernwärme aus nicht-fossilen Quellen. Um die Fernwärme noch grüner zu machen, will die N-ERGIE den Anteil erneuerbarer Energieträger schrittweise steigern.

Bereits 2005 stellte die N-ERGIE die Produktion von Kohle auf Erdgas und die Gas-und-Dampf-Technologie um. 2012 folgte ein Biomasse-Heizkraftwerk. Seit Ende 2014 macht ein Wärmespeicher das Heizkraftwerk noch flexibler und erhöht die Einspeisemöglichkeiten für erneuerbare Energien. Zuletzt wurden 2022 die beiden bestehenden Gasturbinen durch zwei neue Gasturbinen (2 x 56 MW) ersetzt, die bereit sind für den Energieträger Wasserstoff (H2-ready).

Für die Zukunft strebt die N-ERGIE zusätzlich einen Mix aus Altholzverwertung, der Nutzung von Abwärme über Großwärmepumpen, Erdwärme-Potenzialen, Bioenergie sowie einem perspektivischen Einsatz von Wasserstoff an.

Gerade in Ballungsräumen ist Kraft-Wärme-Kopplung mit Fernwärme die sinnvollste Möglichkeit, die Wärmeversorgung effizient und umweltschonend sicher zu stellen. Der Ausbau der Fernwärme gehört zur Strategie der N-ERGIE. Bei neuen Quartieren prüft die N-ERGIE grundsätzlich immer die Machbarkeit einer Fernwärmeversorgung nach wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten.

Wissenschaftliche Begleitung

Das Projekt Fernwärme-Anschluss wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie über den Projektträger Jülich gefördert. Es ist in das Forschungsprojekt „UrbanHeat“ eingebettet und wird von der Universität Kassel wissenschaftlich begleitet. „UrbanHeat“ untersucht die „Dekarbonisierung von Prozesswärme im Kontext einer ganzheitlichen Wärmeversorgung städtischer Quartiere“. Der Hintergrund dazu: Bislang werden Wärmeversorgungskonzepte für Wohnquartiere und Industriegebiete getrennt voneinander geplant, auch wenn ein großer Industriestandort oder ein Gewerbegebiet mitten in der Stadt liegt. Eine gemeinsame Betrachtung würde jedoch vielfältige Synergien ermöglichen und damit zu effizienteren Gesamtlösungen führen.

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Fernwärme in Nürnberg

Das Nürnberger Fernwärmenetz ist insgesamt rund 350 Kilometer lang und hat einen Anschlusswert von rund 940 MW. Die N-ERGIE beliefert knapp 50.000 Wohneinheiten mit Fernwärme, wobei diese hinter einigen Anschlüssen noch in verschiedene Einheiten weiterverteilt wird. Damit kann bereits heute rund ein Viertel des Raumwärmebedarfs im Nürnberger Stadtgebiet gedeckt werden.

Es besteht aus einem Heißwassernetz, an dem über Wärmetauscher bzw. Unterverteilstationen noch diverse Unterverteilnetze für einzelne Stadtteile bzw. Versorgungsgebiete angeschlossen sind. Hinzu kommt ein Dampfnetz, über das der Innen- bzw. Altstadtbereich versorgt wird. Bei den Netzen handelt es sich um Verbundnetze, da alle Netzabschnitte miteinander verbunden sind, jedoch mit unterschiedlichen Druck- und Temperaturstufen betrieben werden. Hierbei gibt es auch immer wieder Ringschlüsse, so dass dann eine Versorgung von zwei Seiten möglich ist.

Das Nürnberger Fernwärmenetz im Überblick.
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