Was macht uns glücklich?

© Nürnberger Versicherung, Nürnberg 2020

Professor Karlheinz Ruckriegel beschäftigt sich seit 2005 mit interdisziplinärer Glücksforschung. Er lehrt Volkswirtschaft an der Technischen Hochschule Nürnberg. www.ruckriegel.org

Herr Professor Ruckriegel, was ist Glück?

Karlheinz Ruckriegel: Die interdisziplinäre Glücksforschung beschäftigt sich mit dem subjektiven Wohlbefinden. Dabei gibt es zwei Ausprägungen: das emotionale Wohlbefinden, also das Verhältnis zwischen positiven und negativen Gefühlen im Tagesverlauf. Und es gibt das kognitive Wohlbefinden. Hier geht es um eine Bewertung: Wie leben wir unser Leben vor dem Hintergrund unserer Ziele.

Welche Ziele machen glücklich?

Karlheinz Ruckriegel: Besonders hilfreich für ein zufriedenes und glückliches Leben sind Ziele, die mit dem persönlichen Wachstum zusammenhängen: Wo sehe ich Sinn? Wie gestalte ich zwischenmenschliche Beziehungen? Welche Beiträge leiste ich zur Gesellschaft? Solche Ziele steigern unser subjektives Wohlbefinden. Ziele wie Geld, Popularität oder Schönheit sind weniger geeignet.

Kommen die positiven Gefühle automatisch mit den richtigen Zielen?

Karlheinz Ruckriegel: Nein, wir müssen schon an unserem emotionalen Wohlbefinden arbeiten. Denn unser Gehirn ist evolutionsgeschichtlich darauf getrimmt, Negatives stärker wahrzunehmen, zum Beispiel um Gefahrensituationen zu erkennen. Das war für unsere Vorfahren wichtig, denken Sie an den Säbelzahntiger. Heute ist das nicht mehr in diesem Ausmaß notwendig. Deshalb müssen wir unser Gehirn trainieren, Gutes stärker wahrzunehmen. Psychologische Untersuchungen haben ergeben, dass das Positive im Verhältnis 4:1 überwiegen sollte.

Wie nützen uns positive Gefühle?

Karlheinz Ruckriegel: Menschen, die zufrieden und glücklich sind, sind gesünder, haben ein besseres Immunsystem, die Lebenserwartung steigt um fünf bis zehn Jahre, Beziehungen sind tragfähiger, man ist kreativer und produktiver. Nicht umsonst bietet die AOK Seminare mit dem Titel „Grundlagen für Zufriedenheit und Wohlbefinden“ an. Also kann man glücklich sein „üben“? Karlheinz Ruckriegel: Wir können üben, unsere Sichtweise umzustellen. Zum Beispiel ein „Dankbarkeitstage-buch“ führen: Darin halten wir zwei- bis dreimal pro Woche drei Dinge fest, für die wir dankbar sind. Den gleichen Effekt hat es, sich bei anderen Menschen direkt zu bedanken. Außerdem sollten wir versuchen, uns nicht über alles aufzuregen – besonders nicht über Dinge, die man nicht ändern kann. Im Laufe der Zeit verlieren sich die negativen Gefühle, aber es steckt Arbeit dahinter, geschenkt bekommt man das nicht.

Was gibt Ihnen persönlich positive Energie?

Karlheinz Ruckriegel: Was ich mache, erfüllt mich voll und ganz. Glücksforschung ist so spannend und interdisziplinär, dass es mir Spaß macht, weiter dranzubleiben. Meine Erkenntnisse weiterzugeben, ist für mich auch ein gesellschaftlicher Auftrag. Und ich versuche, mit allen Menschen gut auszukommen. Wir haben innerhalb der Familie ein sehr gutes Verhältnis, sehen uns häufig und tauschen uns aus. Außerdem führe ich selbst ein Dankbarkeitstagebuch – als „Glücksforscher 4.0“ allerdings mittlerweile virtuell.

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